Lockdown Legitimation. Wenn Orte unseres Alltags zur No-Go-Area werden

Lockdown-Legitimation
Wenn Orte unseres Alltags zur No-go-Area werden

Der 2. November verhieß weitere Maßnahmen zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie. Fragen, die man sich in diesen Zeiten unweigerlich stellt: Welche Begründungen für die Einschnitte in den Alltag sind legitim? Was ist der Maßstab, an dem man Maßnahmen in ihrer Sinnhaftigkeit und ihrem Nutzen messen kann? Welche Rechtfertigung haben die Entscheidungen der Politik? Im Rahmen einer Diskursanalyse haben wir uns angeschaut, wie Politiker auf der Plattform Twitter diese Maßnahmen diskutieren, begründen und verteidigen.

Das Stammlokal in der Innenstadt – geschlossen, aufgrund von Covid-19. Der Spielplatz zum Austoben – gesperrt, zur Eindämmung der Corona-Pandemie. Partys veranstalten, Freunde treffen – ein No-go. Der Umkreis von 1,50m um jeden Menschen – eine No-go-Area. Orte des Alltags werden zu Hotspots deklariert, die gemieden werden müssen, und sind für uns gesperrt.
Wir haben uns Twitterposts von ausgewählten Politikern und Medizinern vom 19.10. bis 16.11.2020 angeschaut, um anhand des diskursanalytischen Ansatzes von Siegfried Jäger (1999) zu untersuchen, wie die Verschärfung der Maßnahmen, der Lockdown Light, legitimiert wird.
Zahlen, Daten, Fakten und Expertenwissen fallen ins Auge. Diagramme über Inzidenz-, Infektions-, und Todeszahlen sollen uns darauf hinweisen, dass wir die Skalen von dem, was als „normal“ gilt, überschreiten. Bedeutet: Die Kurven, die wir jeden Tag sehen, gilt es, flach zu halten. Hierzu gibt es auf Twitter den Hashtag #flattenthecurve.
Eine erneute Welle, die uns droht, gilt es zu brechen: 

Tweet: https://twitter.com/Karl_Lauterbach/status/1321495691026452483

So twittert Karl Lauterbach am 28. Oktober. Allein an diesem Beispiel wird deutlich, wie Metaphern einen undurchsichtigen Sachverhalt in emotional aufgeladene Bildsprache kleiden. Durch ständige Wiederverwendung in Verbindung mit moralisch-ethischen Appellen wie denen Lauterbachs werden im Krisendiskurs kollektive Symbole daraus, Symbole also, die soziale Haftung in einer von Distanz und Isolation geprägten Gesellschaft gewähren sollen. Auch Zukunftsperspektiven werden eröffnet: Besserung durch Einschränkungen, die kurzfristig hart seien, aber langfristiger milder, wie Markus Söder am 28. Oktober schreibt. Appelliert wird zudem an die Gemeinschaft, Solidarität wird großgeschrieben, das „Wir“ soll das Virus besiegen. Akteure des Diskurses, die wir in Augenschein genommen haben, sind in einer von uns zusammengestellten Liste auf Twitter festgehalten.

Kristin Kelch & Nicolai Kronreif